Eigentum
Aus gegebenem Anlass möchte ich heute einmal meine Erfahrungen zum Thema Eigentum in die Welt posaunen. Vielleicht nutzt es Dir, vielleicht interessiert es und vielleicht regt es zum Nachdenken an. Wir werden sehen.
Was heute geschah:
Der Vollmond tut scheinbar nicht allen gut…
Macht Euch keine Sorgen um mich, mir geht es eigentlich ganz gut, seit dem Tod von Steffen ist mir immer noch alles relativ scheißegal oder wie ich gerade auf Nachfrage meinen Freunden antwortete:
„Glücklicherweise wurde mein präfrontaler Cortex mit Kummerspeck gespickt“
Dana
Also meine Gefühlslinie hat derzeit kaum Ausschläge, weder ins Negative noch ins Positive. Das ist zugegebenermaßen ein sehr schöner Zustand. Wohnen im Scheißegal, quasi.
Aber, worauf ich eigentlich hinaus will, ist ein Gedanke, mit dem ich mich in letzter Zeit ständig beschäftige:
Nutzt uns Eigentum nach dem Tod?
Als ich Steffens Wohnung ausräumen musste, wurde mir schmerzlich bewusst, was am Ende bleibt. Was einen Menschen in Werten ausmacht. Was man hinterlässt.
Man sammelt über sein ganzes Leben verschiedenstes Eigentum an:
Erinnerungen
Hierzu zähle ich Dinge, die einem irgendetwas bedeuten: diese eine Muschel von diesem Strand, der Lavastein von Teneriffa, Omas alte Blumenvase. Wie kleine Gottheiten der Liebe aus einer vergangenen Zeit. Talismane des vergangenen Momentes. Dinge, die einem nur selbst etwas bedeuten bzw. dem Freund/Partner/Familienmitglied, der damit etwas anfangen kann.
Dinge
Ohne jetzt zu despektierlich wirken zu wollen: hierzu zählen für mich die Bücher, Videokasetten und DVDs, die gesammelten und sicherlich wertvollen Vinyls, die ganzen Computerspiele – Eigentum, den man vielleicht noch gegen einen gewissen Wert verkauft bekommt, aber niemals gegen den immensen Wert, den er der verstorbenen Person bedeutet hat. Und bei jedem Gedanken, dies zu verkaufen, kommt man sich schäbig vor.
Klamotten
Der ganze Schrank ist voller Kleidung, die ich partout nicht wegwerfen kann, weil mich jedes Teil an Steffen erinnert. Die Hälfte meines Schlafzimmers wird immer noch von Steffen eingenommen. Das ist auch nicht weiter schlimm.
Aber nichts dieser Dinge bringt mir meinen Steffen zurück. Das muss ich noch begreifen.
Eigentumswohnungen und Häuser
zu allererst: haben wir natürlich nicht. Aber rein theoretisch macht es vielleicht Sinn, hätte man Kinder. Aber gewöhnlich ziehen die Kinder wo ganz anders hin, es sind mehr da, als dass es Eigentum gibt und der Zank ist vorprogrammiert.
OK, das Rentenargument …
Ja, der Gedanke ist schon schön:
wenn man einen sicheren Job über Jahrzehnte hat, nie etwas vorfällt und alles so ist, wie es immer war. Beide gut verdienen, sich niemand scheiden lässt. Niemand arbeitslos wird oder gar krank wird und gepflegt werden muss oder gar viel zu zeitig stirbt. Und wenn die Wirtschaft immer so weiter wächst (hüstel) und alles immer mehr wird und der Kapitalismus unbegrenzt wächst und wir unbegrenzte Ressourcen haben. … Ihr merkt es selbst, ne?
Und da das jeder irgendwie ahnt, haben wir Angst, solange wir den scheiß Kredit abzahlen, und dann noch weiter, um die Kinder, um das was wird, und was aus den Kindern wird, und den Nachbarn, und den Nachbarn vom Nachbarn. Und „stell Dir vor, der hat …“ …. oh, ich schweife ab.
Und parallel peitschen uns Selbstoptimierungsinfluenzer ständig in das Bewusstsein, dass das Wachstum und das Eigentum die einzige Wahrheit ist.
Muskelbepackte Supertypen säuseln vom Eigenheimbau, daneben steht ein bei Ablauf beliebig austauschbares gesichtsgetuntes Püppchen aus Fassade ohne Inhalt, während die Typen sich an Autos lehnen, die schon beim vom Hof des Autohändlers fahren 6.000 EUR Wertverlust haben. Die teuersten Fliesen werden sich um den Kopf gehauen, während das Püppchen ein „HOME“ ins Wohnzimmer dekoriert.
Aller vier Jahre wird eine Küche neu gekauft, die nie benutzt wird – wegen der Fettflecken – und im Garten wird auf dem 2.000 EUR Gasgrill fertigmariniertes Steak von LIDL totgegrillt.
Glückwunsch!
Was für ein fürchterliches Leben.
Was hinterlässt ein Mensch?
Es sind nicht die Sachen, das Eigentum, die Ordner, die Klamotten, die Werte an die man sich erinnert – es ist der Mensch. Es ist die mit ihm verbrachte Zeit. Das miteinander Reden, das Lachen, das Trinken, das Feiern. Die ganzen tollen Gespräche. Das gemeinsame Reisen, die mit Emotionen verbrachte Zeit.
Es bleibt das, was den Menschen im innersten ausgemacht hat, nicht die Hülle, nicht der Schein. Und es bleibt Kunst, wenn dieser Mensch andere Menschen bewegt hat, mit Bildern, oder Musik, oder, oder.
Vielleicht als Vermittler, um ins Gespräch zu kommen sind Musik, das Computerspiel und der Film ein guter Träger – aber am Ende zählt doch nur der Mensch, bzw. seine Seele.
Erkenntnis
Daraus folgt für mich die Erkenntnis, dass ich nichts weiter brauche, als ein Dach über dem Kopf, Kleidung und gutes Essen und als Luxus: viele Reisen. Damit ich etwas habe, woran ich mich erinnern kann, wenn ich nicht mehr reisen kann.
Jegliches Eigentum ist Ballast. Es macht Angst. Plötzlich hat man Angst um das Haus, wenn man im Urlaub ist. Man fürchtet um das Auto, dass auf dem Parkplatz steht, und das Fahrrad, das vielleicht gestohlen wird.
Wie setze ich dieses Wissen um?
- Bücher leihe ich in der Bibliothek aus
- Filme werden gestreamt
- die Wohnung wird im Urlaub an Bekannte vermietet, so muss ich keine Angst haben, dass jemand einbricht
- Autos und Fahrräder kann man überall mieten
- Ferienhäuser und Wohnungen kann man überall mieten, oder man hat sogar Freunde auf der ganzen Welt, die einen einladen 🙂
Die Vorteile?
- du kannst alle Autos testen, die du schon immer fahren wolltest
- man kann die verschiedensten Unterkünfte aussuchen
- man muss sich keine Vorwürfe machen, dass man das falsche Modell gekauft hat, man hat es ja nur für ein paar Tage
wenn das Buch scheiße ist, muss man es nicht weiter lesen und bringt es einfach zurück
Und zu der eingeschlagenen Autoscheibe heute morgen?
Nun, das Auto ist versichert, ich muss nur etwas dazu zahlen. Ich wurde nicht verletzt, es wurde nichts gestohlen. Es ging nicht gegen mich, es war ja nur ein Auto. Die Industrie hat wieder zu tun, ich habe eine neue Scheibe gekauft. Bei dem derzeitigen Stand der Börse vielleicht gar nicht so dumm.
Das einzige was nervt ist, dass ich schon wieder drei Stunden meines Lebens mit Rennerei verbracht habe. Obwohl ich heute mal Zeit für mich hatte und so viel erledigen wollte. Fürn Arsch.
Dafür habe ich noch fix das Bremslicht wechseln lassen, das war in 10 Minuten bei ATU erledigt. Ich liebe ATU.