Ileostoma

von | Apr 25, 2021

Nicht die schönste Überschrift für einen Blogbeitrag, aber ein Grund, warum sich die Beiträge hier in der letzten Zeit etwas verzögert haben, denn ich musste erst mit meinem Papa klären, ob ich über seinen Ileostoma öffentlich reden darf.

Frei nach dem Motto „Irgendwas ist immer“ schaplättert das Leben mit Dingen einfach vor sich hin. Langweilig wird es ja bei mir nie.

Wie du dir sicher vorstellen kannst, ist ein künstlicher Darmausgang kein Thema, welches man in der Öffentlichkeit breitgetreten haben möchte. Deswegen kommt erst jetzt für alle, die ich kenne (und natürlich die mir unbekannten Mitleser) ein verspäteter Blogeintrag zum Thema „was bisher geschah“.

Mein Papa hatte exakt einen Monat nach meiner OP im Februar (dazu gibt es dann beim nächsten Mal mehr – alles schön rückwärts der Reihe nach) selbst eine OP und brauchte nun in den letzten Wochen meine Hilfe. So galt es für mich, selbst schnell zu heilen, damit ich ihn optimal unterstützen kann.

Ihr versteht langsam, warum ich in meinem Leben einfach nichts mehr planen kann, weil in einer Woche meines Lebens so viel passiert, wie in anderer Leute Leben in einem einzelnen Jahr.

Wieso ein Ileostoma?

Bei Papa handelt es sich um eine OP, die sein musste, damit irgendwas nicht noch schlimmer wird. Glücklicherweise bekam Papa auch noch am letzten Tag, bevor alles wegen Corona dicht gemacht wurde, ein Zimmer und einen Termin im örtlichen Krankenhaus. Wenns flutscht, flutscht es halt.

Nachdem eine Woche später das herausgeschnittene Gewebe in der Pathologie ausgewertet wurde, stand endlich fest: keine Chemo, keine Bestrahlung.

Aber nichtsdestotrotz muss die Operationswunde nun heilen und für einen Zeitraum von 15 Wochen nach der Operation muss er so ein Ileostoma nutzen.

Was für ein Glück im Unglück!

Alles riskante Gewebe wurde entfernt, keine Metastasen, keine Bestrahlung und die Ileostoma ist auch nur zeitlich begrenzt!

In der Zwischenzeit befeuerte ich Papas Haus, machte Dana-Dinge und hütete die mürrische Katze. Und Papa und ich telefonierten in dieser Phase jeden Tag miteinander, da wegen Corona ein Besuch im Krankenhaus nicht möglich war. So war ich während dieser für ihn sehr schweren Zeit sein seelischer Telefon-Support. Nach 10 Tagen holte ich ihn dann endlich mit quietschenden Reifen und einem Ileostoma in der Bauchtasche aus dem Krankenhaus ab.

Was ist ein Ileostoma?

Ein Ileostoma ist ein künstlicher Darmausgang, der im Fall meines Papas am Dünndarm seinen Ausgang findet, damit der Dickdarm heilen kann. Wenn der Dickdarm wieder verheilt ist, wird dann einfach wieder auf normalen Betrieb zurückgebaut. – to make a long story short – ich will nicht ins Detail gehen, jeden die Personen unter euch, die es interessiert, die kann sich gerne mannigfaltige Bilder aus dem Netz ziehen. Dies soll nicht Thema dieses Beitrages sein.

Was bedeutet das für Papa aktuell?

Natürlich kann er nicht schwer tragen, bücken ist auch doof. Alles ist nun zeitlich getaktet, da Input = Output und am schlimmsten: er kann sein Lieblingsessen nicht mehr essen. Hülsenfrüchte, Gemüse, Spinat und fermentierte Dinge, Scharfes und Exotisches – also alles was wir beide so sehr mögen, ist gerade tabu.

Ernährungsumstellung

Ab jetzt gibt es nur noch mild gewürztes, leichtes, kohlenhydratreiches Essen und Proteine, damit alles schneller heilt. Und das ist genau das, womit ich Papa helfen kann. Denn wenn ich etwas kann, ist es Rezepte auf eine spezielle Diät adaptieren. Das ist mir damals schon prima bei Steffen gelungen, siehe bei meinem „Rezepte für Krebs“ Buch rechts im Bild.

Also dachte ich mir, Ernährung bei Ileostoma bekomme ich auch hin. Nach meiner Recherche im Internet ist mir jedoch sofort aufgefallen, dass es einfach keine guten Ernährungsbücher bei Ileostoma gibt. Also wisst ihr, was hier als nächstes kommen wird.

Papa und ich sind mittlerweile ein Spitzenteam – ich koche, er isst. Und nach dem Essen bekomme ich umgehend Feedback, was für ihn funktioniert und was nicht. Natürlich ist mir bewusst, dass die Menschen verschieden sind.

Und diese ganze neue Ernährung muss dann beim Rückbau auf den Dickdarm wieder entsprechend umgeswitcht werden – kurzkettiges zu langkettigem, Weißmehl zu Vollkornmehl, Sahne zu Kefir. So habe ich auch diesen Sommer wieder zu tun. Wie ich schon sagte, bei mir wird es einfach nicht langweilig.

Versuchskaninchen

Dabei finde ich es so spannend, wofür die beiden Därme so alles gut sind.

Papa weiß noch nicht, dass er mein Versuchskaninchen sein wird. Denn manche von euch wissen vielleicht schon, dass man das Immunsystem und das vegetative Nervensystem über den Darm steuern kann. Mit einem gut austarierten Dickdarm sinkt das Risiko für Depressionen und die Chance auf ein fantastisches Immunsystem steigt.

Das ist also alles mal wieder verdammt spannend für mich und man wird ja nicht dümmer dabei.

Wie kann ich helfen?

Ich kann dich schon hören: der arme Papa, der hat es furchtbar. Bleibst du jetzt für immer unten? Und wenn nicht, warum nicht?

Zunächst einmal: ich hasse es, mich um Menschen kümmern zu müssen. Pflegedinge und bemuttern gehen mir ab. Es gibt Gründe, warum ich keine Kinder habe. Und nein, ich bin nicht verpflichtet, mich als Tochter um meinen Vater zu kümmern. Ich helfe ihm, weil ich ihn mag. Und weil er nicht jammert. Wenn jemand jammert, bin ich schneller verschwunden, als man gucken kann. Dass ich Steffen so sehr geholfen habe, liegt nur daran, dass er selbst so ein Kämpfer war. Wir waren ein gutes Team. So wie Papa und ich jetzt.

Das bedeutet für mich, dass ich jedes Mal, wenn ich unten bin, Tonnen von Essen für Papa vorkoche und einfriere, damit er in der Zeit, während ich nicht da bin, genügend leckeres und gesundes und genau auf seine Ernährung abgestimmtes Essen zuhause hat. Ein Klacks für eine Ex-Cateringinhaberin.

Und nach dem ganzen Ileostoma-Wahnsinn muss ich immer wieder ganz schnell zurück nach Berlin. Nach wenigen Tagen in der Ostzone bekomme ich einen Knall. Ich werde irre. Der Kessel platzt. Berliner Stadtpflanze und so.

Der arme Papa! Der hat es auch nicht leicht.

Ja, wenn ihr verständlicherweise Mitleid habt, dann helft im persönlich. 

Holz

Ich brauche demnächst ein paar starke Menschen, die mal für 1-2 Tage mit mir hier herkommen. Wir hacken Holz und bringen es in den Holzschuppen. Holz ist ohne Ende vorhanden, dieses muss nur gehackt und in den Holzschuppen geräumt werden.

Dafür gibt es dann einen feinen Schaschlik oder eine Bratwurst vom Holzkohlegrill, körperliche Ertüchtigung am Hackklotz und ein oder zwei Bier. Wahlweise wird dabei von euch ein Adolf-Hennecke-Gedächtnisvideo gemacht.