Eine Familienfeier in Dresden steht an. Die gemeinsame Geburtstagsfeier von Steffen, Steffens Bruder und Steffens Erzeuger. Aber erstmal geht es ein letztes Mal in Steffens Elternhaus.
Ich schlafe in dieser Nacht wunderbar, Steffen schläft dafür nicht so gut. In den letzten Tagen wird er immer öfter immer eher munter. Er schiebt es auf die Nachwirkungen der Chemotherapie, aber ich glaube, er hat fürchterliche Angst vor nächster Woche. Denn dann hat er die nächste und hoffentlich letzte Chemotherapie. Er möchte mir seine Angst nicht zeigen, das verstehe ich.
Ich bin faul und schläfrig, weil ich so gut geschlafen habe, ich will nicht aufstehen, aber da ist er wieder. DER BÄCKER!!!! Der beste Bäcker der Welt. Unserer Welt zumindest. Ok, das ist natürlich Grund genug. Wir ziehen uns warm an, denn in der Nacht gab es Minusgrade. Die Wiesen sind komplett von Reif überzogen. Es ist so wunderschön. Wir gehen zum Bäcker.
Abschied in Ostsachsen
Eine ältere Dame kommt uns auf der Straße vor der Ladentür entgegen, wir sind zwar schneller als sie an der Tür, lassen ihr aber den Vortritt. Sie freut sich sehr. Als wir den Laden betreten, wandert Steffens panischer Blick über die heute doch recht überschaubare Auslage.
Na klar ist die Auslage hier klein, denn das ist ja nur ein kleiner Dorfbäcker. Steffen erspäht das letzte Milchbrötchen und es stehen noch Menschlein vor uns. Inklusiver der vorgelassenen älteren Dame! Was er jetzt denkt ist definitiv nichts Gutes. Wahrscheinlich verflucht Steffen gerade seine gute Tat, die Dame vorgelassen zu haben. Bei jeder Bestellung zuckt Steffen zusammen. Bestellt ja nicht das Milchbrötchen! Aber, als wir endlich dran kommen ist oh Wunder, ist das Milchbrötchen noch da und all die anderen Spezereien glücklicherweise auch. Und schwupps, ist der Beutel wieder voll, gefüllt mit einem duftendem Mohnzopf, Brot, Mohnhörnchen, dem MILCHBRÖTCHEN, Butterkeksen und frischen Semmeln. Glücklich tragen wir unsere Beute davon.
Das Frühstück danach mit all den Schätzen vom Bäcker ist wunderbar. Danach helfe ich noch Papa mit dem Computer, auch diese Unterstützng liegt seit 4 Monaten brach. Mittags gibt es das Rotweinrisotto mit Rosenkohl und Walnusskernen.
Danach verabschieden wir uns, denn jetzt geht es nach Dresden zu Steffens Familie.
Abschied von Steffens Elternhaus
Wir fahren zuerst zu Steffens Eltern ins Haus. So haben wir noch einmal die Chance, doch ein letztes Mal das Puppenhäuschen zu sehen. In zwei Tagen ist die Schlüsselübergabe, denn Steffens Eltern haben das Haus verkauft und der Wohnungsumzug läuft gerade auf Hochtouren.
Als wir das nun leere Haus betreten, ist uns mulmig. Ein letztes Mal in dem uns so bekannten Haus.
Das Wohnzimmer ist bereits leergeräumt, in der Küche steht ein Campingtisch mit zwei Stühlen. Im Schlafzimmer stehen zwei Campingliegen. Das ganze Haus ist eine Baustelle. Das ganze Häuschen in seiner eigenen Essenz.
Wir verabschieden uns vom Puppenhäuschen. Ich gehe ein letztes Mal auf den Dachboden, berühre noch einmal die Wände, stehe kurz in Steffen seinem alten Kinderzimmer und erinnere mich an die ersten Nächte hier, in einer neuen Familie, in einer neuen Beziehung.
Dies war dann wohl das letzte Mal, dass ich diesen Raum von innen gesehen habe. Ich werde wehmütig und verdrücke mir eine kleine Träne. Ja, seit 15 Jahren gehörte es auch ein bisschen mit zu mir oder ich zu ihm.
Die letzte große Familienfeier
Später am Abend geht es dann zur Familienfeier in die Waldschlösschen-Brauerei nach Dresden. Steffens Bruder hat Geburtstag, Steffens Erzeuger und ein Freund der Familie ebenso. Und natürlich wird Steffens Geburtstag auch noch im Familienverbund gefeiert.
Im Waldschlösschen gibt es das übliche Brauhausessen. Haxe, Bratkartoffeln, Ragout Fin und Rostbrätl. Steffen ist der einzige, der in dieser Runde keinen Sekt trinkt. Verrückt. Wir treffen alle wieder, die ganze Familie von Steffen, das ist sehr schön.
Um 10 sind wir dann so müde, dass wir mit den Neffen losfahren. Wir schlafen heute ausnahmsweise bei Steffens Bruder, da es ja zur Zeit bei Steffens Eltern kein Obdach mehr für uns gibt. Steffens Bruder will noch mit mir Whisky trinken, ich verstehe das, möchte aber nicht. Ich habe keine Lust auf Alkohol.
In des Bruders Haus dürfen wir im Bett vom Neffen schlafen,der Arme hat den ganzen Tag gewienert, damit es Steffen gut geht. Er will nicht, dass sich Steffen mit irgendetwas ansteckt, jetzt wo sein Immunsystem geschwächt ist. Wie schön und wie aufmerksam von ihm.
Und der Familienkater schläft in unserem Bett. Oh wie schön. Seit Steffens Katzenallergie darf ich keine Katze haben und ich liebe Katzen.
Aufgrund Steffens Katzenallergie habe ich immer Witze gemacht, á la, wenn Steffen stirbt, kann ich wenigstens wieder Katzen haben … Irgendwie muss man sich halt motivieren, das durchzustehen.
Wir schlafen. Nachts wache ich auf, weil Steffen unruhig träumt, der Kater auch. Ich muss beide beruhigen. Die linke Hand streichelt den Kater, die rechte Hand Steffens Schulter. So geht es.