23.07.2018 – 32 Grad – Tag 14

von | Sep 5, 2018

Heute ist Montag. Ein wunderbarer Sommertag. Ich mache uns einen Smoothie und auch wieder Porridge mit Haselnussmilch und Darmaufräum-Flohsamen.

Da Steffen am kommenden Freitag erst den extrem wichtigen Termin mit dem Chefonkologen hat, an welchem besprochen wird, wie es nun mit ihm weitergehen wird, haben wir noch ein paar Tage für uns.

Wir befinden uns in der Wartephase. In der Wartephase von allem.

Da ich nicht weiß, wie die Behandlung weiter gehen wird, wie lange alles dauern wird, ob Steffen je wieder heil wird oder ob wir nur noch eine kurze gemeinsame Zeit miteinander  haben, kann ich das Catering nicht weiterplanen.

Jeden Tag, fast jede Stunde, treffe ich neue Entscheidungen und Überlegungen. Das Hirn rotiert und brummt:

  • Arbeite (ich) wir nur noch paar Tage die Woche?
  • vermieten wir die Cateringküche unter?
  • vermieten wir Steffens Wohnung unter?
  • stelle ich jemanden ein?

Aber eigentlich kann ich gar nicht an Arbeiten denken, an Kreativität, neue Rezepte, geschweige denn, neue Spesenideen und Inspirationen. Derweil ist mein Hirn ist komplett blockiert vor lauter Sorge um Steffen.

Und genau das, diese Angst wie es weiter geht, ist das einzige Gefühl, welches möglich ist. Der Rest ist Gleichgültigkeit.

Hinzu kommt diese für mich unerträgliche Hitze: ab 28 Grad aufwärts werde ich zickig.

Sehr gute Voraussetzungen für die Arbeit in der Küche, stimmts? Doch in der Küche gilt das nicht, denn da reagiert das Adrenalin und man spürt nichts: keinen Hunger, keine Hitze, nur Zeitdruck.

Die jeweiligen verdrängten Gefühle lässt der Körper einen dann am Folgetag spüren, denn dann passiert immer dasselbe:  Monsterhunger, totale Erschlagenheit und rissige Lippen.

Aber glücklicherweise haben wir in diesen Wochen nur ganz wenig Aufträge. Wollten wir doch eigentlich bis Anfang August „Ferien“ machen, das bedeutet nur kleinere Routineaufträge, wie das Kochen für die BlueManGroup und ansonsten frei machen, an den See fahren, in Museen gehen, StandUp-Paddeln. So ganz normale Dinge halt.

Aber normal funktioniert bei uns einfach nicht, also machen wir in Krebs. Und heute und morgen sind halt keine Aufträge geplant. Das ist gerade hilfreich.

Was machen wir also: wir gönnen uns einen Tag je für sich. Das tut so not, denn erzeugt dies ein klitzekleines Gefühl von Normalität.

Steffen dachte ja noch bis vor einer Woche, dass er nicht mehr seine Wohnung sehen würde, also freut er sich tierisch darauf, dass er heute zu sich fahren kann um den ganzen Tag lang seine Playstation zu nutzen. Ich kümmere mich heute mal nur um mich.

Das bedeutet, erst einmal sinnlos in den Monitor starren, etwas leckeres essen und später zum Friseur gehen. Dort lasse ich mir wieder eine Brett-Anderson-Gedächtnis-Frisur verpassen. Die 90er haben angerufen …

Die letzten Tage habe ich mich nicht wirklich um mein Äußeres gekümmert, es war mir alles so egal, alles war zweitrangig. Durch den Stress habe ich dann auch mal eben 2 Kilo verloren.

Aber wie sagte einmal eine gute Freundin: sei froh, wenn Du was mehr drauf hast, wenn es Dir mal richtig Scheiße geht oder Krebs hast, verlierst Du die Pfunde von ganz allein. Recht hat sie.

Nachmittags direkt nach dem Friseur ruft mich ein lieber Freund an, und fragt, ob ich Bock auf ein Treffen im Biergarten habe. Ich war zwar schon wieder im Wohlfühlfaulmodus zuhause, aber hey, Freunde sind wichtig. Ich frage noch schnell Steffen, aber er ist im Playstation- und Plattenhören-Universum.

Bei der Nasen-OP hatten Sie ihm ja auch das Wasser aus den Ohren gelassen, das sich durch die geschwollenen Lymphe angestaut hatte – medizinisch nennt man so etwas „Paukenerguss“ – und nun kann er endlich wieder hören.

Merke: Paukenerguss hat nichts mit Blasmusik zu tun!

Und Steffen liebt Musik abgöttisch, genau so, wie er seine Plattensammlung liebt. Er bewegt sich nur kurz nach draußen, um sich lecker philippinisches Streetfood auf der Straßenseite gegenüber zu holen.

Ich verstehe ihn, heute lockt ihn kein Bier der Welt heraus in die gleißende Sonne.

Ich schnappe mir also mein Fahrrad und fahre die 6 km bei brütender Hitze in den Schleusenkrug. Wir finden ein Plätzchen direkt am Wasser und ich trinke mit den Jungs Bier und esse Würste. Das tut not.

Merke: niemals die eigenen sozialen Kontakte vergessen!

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