Besinnlichkeit
Die Wünsche in dieser Zeit sind immer diesselben: „frohe und besinnliche Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr“. Neuerdings gekoppelt mit „bleiben sie gesund“ Fast von ganz selbst schreiben sich diese Zeilen. Kaum einer denkt darüber nach, was er da so dahinbrabbelt. „Besinnlich“. Was bedeutet das eigentlich?
Nach meinen etwas bissigen Beiträgen der letzten Tage werde sogar ich etwas weihnachtlich und milde und habe mir mal wieder ein paar Gedanken, diesmal zum Thema „Besinnlichkeit“ gemacht.
Besinnlichkeit heißt, dass man irgendwo zu einem tieferen Sinn kommt, indem man Zeit zum Nachdenken findet. Wer sich besinnen kann, kann etwas nachsinnen, heißt nachdenken.
In alten Zeiten war die Zeit um die Jahre die Zeit der Besinnlichkeit, des Rückzugs und der Einkehr.
Denselben Sinn hat übrigens auch das meditieren. Und so oft höre ich von lieben Freunden und Bekannten „ich kann nicht meditieren“ „ich kann nicht ruhig sitzen“ und ich beobachte so oft, dass die Leute wegrennen, vor dem aushalten, vor dem sich aushalten.
Ich würde so gerne helfen, aber ich weiß nicht wie. Ich kann nur sagen: lasst los. Lasst das „müssen und sollen“ los. Die Erwartungshaltungen sind nur in unserem Kopf, konditioniert von anderen und nur ihr könnt diesen Zauber selbst auflösen.
Das Wegrennen schützt euch leider nicht davor, Dinge auszuhalten, sich auszuhalten, einen Schmerz auszuhalten oder gar eine bittere Wahrheit auszuhalten. Ignorieren schützt scheinbar nur kurz, denn irgendwann schlägt furchtbar und unerbittlich die Welle über einen ein. Sei es durch ein Burnout, einen Herzinfarkt, ein Hirnschlag, Krebs oder Tod. Oder die Wand, vor die man mit Schmackes fährt, weil es einfach nicht mehr weiter geht. So wie Steffen und ich.
Und um kontrolliert den Druck abzulassen – Ingenieure lieben diesen Trick – braucht es jedes Jahr aufs Neue beispielsweise die Rauhnächte, um sich zu besinnen.
Besinnliche Rauhnächte
Rauhnächte – das ist die besinnliche Zeit „zwischen den Jahren“. Besinnlich sind sie deswegen, weil man das vergangene Jahr, all das Vergangene, all das Erlebte in Ruhe an sich vorbeiziehen lassen kann. Und man nun endlich genügend Zeit und Ruhe hat, sich dabei auf alles in diesem Jahr Getane und Erlebte mit all den darin innewohnenden Gefühlen und Sinnen zurück zu besinnen.
Man kann sich Fragen stellen, wie:
- Was hat mich glücklich gemacht, was enttäuscht, was verletzt?
- Was will ich nicht mehr in meinem Leben haben, wovon will ich mehr?
- Wo habe ich Widerstände gespürt, was hat mir widerstrebt?
„Zwischen den Jahren“ sagt man, da in unserem Kalender, der aus 365 Tagen besteht, immer 11 Tage zu viel sind. Wir haben 12 Monate mit 12 Vollmonden, die in jeweils einen Zyklus von 29,5 Tagen haben. Das bedeutet, ein Mondjahr besteht lediglich aus 354 Tagen. Wir haben also 11 Tage pro Jahr zu viel. Und daher kommt also die Bezeichnung „zwischen den Jahren“.
Da sich diese Tage nicht in die starren Regeln des Mondkalenders sperren ließen, entstanden die Rauhnächte. Die Nächte, wo es draußen wild her ging, denn der kalte Wind stürmte ums Haus, es knackte draußen vor Kälte und die Tiere muhten im Stall. Bei so einem Wetter sitzt man lieber muckelig und besinnlich zuhause am Ofen oder noch besser, auf dem Ofen.
Oft wurde in den Rauhnächten der Geistliche der Wahl geholt, um die Häuser und Ställe mit Weihrauch auszuräuchern und diese Räume somit vor bösen Geistern und/oder dem Teufel zu schützen. Nicht von ungefähr kommen die Räucherkerzen mit den klassischen Weihnachtsgerüchen Myrrhe und Weihrauch, die die Heiligen drei Könige ins Christentum brachten.
Die ersten Christen lehnten Weihrauch jedoch noch ab, da sie ihn für heidnisch hielten. Denn bereits die Ägypter, Griechen, die Römer und die Anbeter des Baal-Kultes verwendeten seit Jahrhunderten Weihrauch um in Verbindung mit ihrem Gott der Wahl zu treten. Selbst die Wikinger hatten eher Weihrauch, als dass sie konvertieren mussten. Ach, ich schweife ab.
Im heidnischen Brauch gibt es seit jeher die sogenannten zwölf Nächte oder die Rauhnächte.
Wieso jetzt zwölf, waren doch gerade noch elf? Nun, irgendwie muss der Mensch ja wieder Ordnung hineinbekommen, denn das ist, was der Mensch will: Ordnung und Kontrolle. Wenn schon die elf Tage schon zuviel sind, machen wir halt 12 daraus.
Übrigens: Die Inder gehen sogar so weit, zu sagen, dass erst das Imperfekte, zum Beispiel der Tag, der zuviel im Zyklus ist, die eigentliche Bewegung ins Ganze bringt. Systeme, die im Gleichklang sind, sind starr. Nur durch das Imperfekte entsteht Neues.
Und genau diese zwölf besinnlichen Nächte waren wichtig. Denn jedes Jahr sagte beispielsweise meine Mama um diese Zeit der Rauhnächte zu mir: notier dir, was du in den zwölf Nächten träumst, denn das hat Auswirkungen auf die zwölf Monate im nächsten Jahr.
Wahrscheinlich kennt ihr auch irgendwelche Sprüche dieser Art? Wir durften auch keine Wäsche über die Tage zum trocknen draußen aufhängen, da sich sonst die bösen Geister darin verfangen und man sie dann mit ins Haus nimmt.
Die zwölf Rauhnächte liegen im Zeitraum vom 21.12. bis zum 01.01. bzw. vom 25.12.-06.01. im christlichem Duktus.
Da in unserem Kulturraum die Christen über viele wichtige heidnische Daten ihre Feiertage gelegt haben – so macht man das halt als Siegermacht. Man titelt und widmet um, radiert alte Bauwerke und baut die neuen darauf auf. Man baut Kirchen auf heidnische Plätze, Pionierpaläste auf Kirchen, Moscheen auf Tempel auf Kirchen auf Konsumtempel.
In der dunkelsten Nacht im Jahr ist Weihnachten, weil dann Jesus geboren wird, es kommt erst Nikolaus, dann Weihnachtsmann (CocaCola) oder der Sunnwendmann (Nazis) oder halt das Licht. Manche gehen so weit, dass Christus von Kristall und strahlend kommt. Was auch immer. Such deine eigene Wahrheit aus.
Meine Großmutter sagte zu dieser Art Gedankenspiele einfach „jeder denkt, er macht es richtig“ oder in Oberlausitzer Dialekt: „Jedrrr denkt, er machts rrraichte!“
Die Quintessenz des Ganzen Blablablub ist:
Lass die Arbeit ruhen und gehe in dich!
Die besinnlichen Rauhnächte sind eine Zeit der inneren Einkehr. In dieser Ruhe, in der alles still darnieder liegt, die Stadt leise wird, die Nacht am längsten ist und das kommende Jahr voll all der in sich bergenden Hoffnungen anbricht, sollte viel Zeit zum Besinnen sein.
Haben wir eigentlich noch Zeit für Besinnlichkeit?
Weihnachten ist für mich persönlich zunächst fieser Druck. Innerhalb kürzester Zeit muss man plötzlich alle treffen. Jedes Jahr kumulieren die Verabredungen, so als würde man in der Silvesternacht überraschend sterben und nur die anderen wissen was davon. Alle Freunde wollen einen vor Weihnachten unbedingt nochmal sehen, bevor man zu den Eltern fährt, wo man wiederum die ganze Verwandtschaft sehen muss. Die. Ganze. Verwandtschaft!!
Und dann ist da auch noch Silvester.
Wir hetzen von Termin zu Termin, erfüllen die Ansprüche und vermeintlichen Erwartungen anderer an uns, die wir mit jahrelangen Glaubenssätzen konditioniert haben, auf der Suche nach dem idealen Weihnachten unserer Kindheit, welches nie wieder zu erschaffen ist.
Und am Ende des Sozial-Marathons sind wir ausgelaugt, streiten uns wahrscheinlich noch mit unserem Liebsten, weil er die begnadete Fähigkeit hat, sein Hirn bei Gesprächen der Familie auf 0 herunterzufahren und die ganzen Frechheiten gar nicht mitbekommen hat.
Die letzten drei Jahre habe ich mich stets erfolgreich vor dem ganzen Theater gedrückt. Freunde ok, aber Familie? Welche Familie, wenn das Herzstück – die Mama – schon vor Jahren vaporisiert und damit das ganze Konstrukt auseinandergefetzt wurde?
Seit 2016 bin ich über Weihnachten immer weggefahren. Weit weg. So weit und voller Hoffnung, dass es dort vielleicht keine klassischen Weihnachten mehr geben würde: 2016 Australien zu Brudi, 2017 Indien mit Steffen, 2018 China mit Brudi und Steffen und 2019 Indien mit Freunden. Und 2020 geht’s nach Corona mit mir!
Mit staubtrockenem Humor und jeder Menge Selbstironie entlarvt der Poetry Slammer Patrick Salmen in seinen Geschichten die Absurditäten und Idiotien der Menschheit. Mal spöttisch, mal böse, aber immer mit einem charmanten Augenzwinkern spricht er über Bärte als letzte Bastion gutmütiger Männlichkeit, über Senseo-Maschinen als die heutigen Volksempfänger und über Sudokus als Beschäftigungstherapie für desillusionierte Hobbymathematiker. Und wenn man im Leben mal nicht weiter weiß, kennt er die Universalantwort auf alle Probleme: Ich habe eine Axt!
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Corona ist mein Retter
Für Teilzeit- Misanthropen wie mich – das sind Gutmenschen, die gelernt haben, scheu gegenüber anderen Menschen zu sein, weil sie zu oft enttäuscht wurden – ist Corona pure Gnade. Wie Schopenhauer schon schrieb:
„So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.“
Arthur Schopenhauer
Wenn man schon in Schlangen anstehen muss, dann mit Abstand, ohne dass man den Atem des anderen im Nacken spürt. Es gibt nun Mindestzahlen von Menschen für Räume. Es gibt Platz – überall ist Platz.
Warum wohnst Du denn auch in der Stadt, wenn du keine Menschenmengen magst? Weil ich die Leute hier in Berlin mehr mag, als Menschen in Kleinstädten und Dörfern, denn ich komme von dort und weiß wovon ich rede. So!
Was werde ich Besinnliches tun?
Zunächst einmal werde ich das letzte Jahr Revue passieren lassen.
- Was war gut, was war schlecht.
Ich werde viel spazieren, denn in der Ruhe mit sich selbst kommen mir die besten Gedanken. Genau so entstehen übrigens diese Blogeinträge.
- Was will ich, was will ich nicht?
Welche Menschen will ich in meinem Leben haben, welche nicht. Also fokussiere ich mich nur noch auf die Menschen, die mir gut tun, die mich nach vorne bringen, die mich beflügeln und die mich glücklich machen. Denen schenke ich meine Liebe und meine Aufmerksamkeit. Denn man bekommt das, worauf man seinen Fokus richtet.
- wen will ich, wen will ich nicht?
Wenn man nur im gestern lebt und immer nur dasselbe genau so schon seit Jahren tut, wird sich nie etwas zum Guten verändern. Das ist übrigens der Trick der Konservativen.
Wenn man sich nur auf das Schlechte fokussiert, wird einem immer nur Schlimmes passieren. Ich habe das am eigenen Leib erfahren, lest euch einfach nur den Blog von Anfang an durch.
Mein alter Glaubenssatz: „Wenn ich das Schlimmste erwarte, kann mir nur das Beste geschehen“ hat sich als falsch herausgestellt. Mit diesem Denkansatz wurde alles immer noch schlimmer, bis mein Schicksal/das Universum/Gott/Allah (ersetze Heiligen deiner Wahl) die härteste Reißleine ever gezogen hat.
Seitdem lerne ich, ausschließlich positiv nach vorne zu schauen und alles, was mich belastet, aus meinem Leben zu katapultieren. Mein Spruch dieses Jahres lautet „Haken dran“. Was ich nicht ändern kann, nehme ich auch nicht weiter in meinem Leben mit.
Wie stelle ich jedoch fest, was ich will?
Vision Board
Nun, dafür ist diese besinnliche Zeit ideal. Nachdem du nun ansatzweise weißt, was du nicht und nicht mehr willst, gilt es den Fokus dahingehend zu verschieben, zu dem, was du willst.
Das bedeutet aber auch, dass man sich mit dem, was man nicht mehr will, auch nicht mehr beschäftigt, denn sonst findet das Ungewollte immer ein Schlupfloch zurück in dein Leben. Und nur, wenn man Dinge weglässt, passen wieder neue Dinge in dein Leben hinein.
- Ausmisten
- Auffüllen
Eine schöne Idee, um sich mit der Zukunft in der besinnlichen Zeit auseinander zu setzen, ist sich ein sogenanntes Vision Board zu basteln.
Ein Vision Board ist wie eine kleine Wandzeitung. Wer in der DDR groß geworden ist, weiß wie eine Wandzeitung geht. Nur dass diese hier ausschließlich für Dich ist. Du kannst sie gestalten, wie du willst.
Wandzeitung / Pappe bekleben
Wenn du viele Zeitungen zuhause hast, die mit Dingen gefüllt sind, die du magst, her damit. Schneide die schönsten Sachen aus, arrangiere sie auf die Pappe, visualisiere die Dinge:
Könntest du dir das in deinem Leben vorstellen und wie würde es konkret aussehen?
Bastel eine Collage aus deinen Wünschen auf, schreibe vielleicht dazu, wie du es dir im Detail vorstellst.
Stelle bzw. hänge dieses Board, wenn es fertig ist, am besten im Osten, gegenüber von deinem Arbeitsplatz auf. Nach Vastu ist der Nordosten/Osten oder Norden die beste Richtung für Affirmationen und Wünsche.
Virtuell als Hintergrundbild
Hast Du wie ich auch keine Zeitschriften und Werbeprospekte zuhause? Überhaupt nicht schlimm. Beispielsweise kannst Du dir über Canva oder Photoshop selbst ein VisionBoard basteln und dieses auf deinem Laptop als Hintergrundbild speichern. So hast du ständig deine Ziele und Wünsche vor Augen.
Pinterestwand
Trotz Besinnlichkeit keine Zeit herumzubasteln, weil du noch keine Nerven für Besinnliches hast oder Bock darauf, klebrige Finger zu haben? Photoshop bringt dich an deine Grenzen?
Dann mach dir eine ganz private Pinwand auf Pinterest, auf welche deine ganzen Zukunftsziele und Wünsche kommen. Betitele sie mit der jeweiligen Jahreszahl, so kannst du im Laufe der Jahre sehen, wie gut so ein Vision Board funktioniert.
Für mich ist zum Beispiel Reisen das Thema. Ich werde viele Orte aufkleben, wo ich hinwill und was mich glücklich macht und was ich gerne noch erleben möchte.
Während du dieses Board bastelst, beschäftigst du dich ausschließlich mit Dir.
Und das ist Besinnlichkeit: Innere Einkehr. Meditation. Fantasie und Vorstellungskraft. Und Selbstliebe.
Vision-Board selbst basteln:
(werbung) Alles was du brauchst, um ein Vision-Board selbst zu basteln: