Heute muss ich meinen ersten Auftrag ganz allein ohne Steffens Hilfe zubereiten und ausliefern. Prinzipiell kein Problem, an manchen Tagen stehe ich stundenlang allein in der Küche und mache alles. Das Problem für mich ist aber stets die Auslieferung.
Warum? Das weiß ich nicht. Aus unerfindlichen Gründen bekomme ich jedes Mal Panik, wenn ich mit zur Auslieferung muss. Dann ist der ganze Tag für mich gelaufen und ich bin in einer Art Todesstarre und kann nicht mehr denken und bekomme Bauchschmerzen.
Also habe ich Steffen gebeten, mit in die Küche zu kommen, damit ich nicht allein bin. Gerade fühlt sich das allein in der Küche sein grauenvoll an. In der Küche wird Steffen sofort schwindlig, das ständige nach unten schauen ist mit dem Tumor im Kopf nicht so angenehm. Wahrscheinlich dongt das alte Karzinom ständig hinten an die Augenhöhlen.
Ich schicke ihn aus der Küche, so kann er sich im Innenhof unter den Nussbaum auf die Bank setzen. Da wirklich noch viel Zeit ist, mache ich in Ruhe allein alles fertig, was gar kein Problem ist. Dann belade ich das Auto und wir fahren gemeinsam zur Auslieferung los. Ich fahre, ich baue auf, er ist mit, er steht daneben, er ist meine seelische Unterstützung. Und herrje, der Kunde ist total nett, ich weiß gar nicht, was ich habe.
Nachmittags haben wir noch einmal Zeit für uns und quatschen die ganze Zeit. Darüber, wie es weitergeht, wie ich dass Unternehmen alleine führen kann und derartige Fragen.
An diesem Tag stellen wir folgendes fest: eigentlich haben wir Glück gehabt, dass es Steffen und nicht mich getroffen hat, weil:
- Er hat eh schon Glatze
- Er ist nicht so mäkelig wie ich, ich kann alle Speisen an ihm ausprobieren
- Ich mach eh die ganze Organisation des Caterings: Angebote erstellen / Wochenplanung / Einkäufe / Buchhaltung / Telefonate / Rezepte / also alles, bis auf die Auslieferung, die Geschirrorganisation, die Personalverwaltung und den Aufbau – hätte mich der Krebs erwischt, wäre es weitaus schlimmer um das Unternehmen geschehen
Im Internet haben wir uns schlau gemacht, zusätzlich zu den Smoothies wollen wir Steffens Immunabwehr boosten. Zumal man die Smoothies nicht mit ins Krankenhaus nehmen kann, bis dahin haben sich alle Vitamine verflüchtigt und man hat nur noch eine zweifelhafte Masse in der Glasflasche. Im Internet finden wir nach langem Hin- und Hervergleichen ein Fruchtsaftkonzentrat, welches Steffen auch mit ins Krankenhaus nehmen kann und sich parallel zu dem unterirdischen Krankenhausessen noch mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen versorgen kann. Wir nehmen es bis zum heutigen Zeitpunkt beide. Auch kann man zum Beispiel den Smoothie statt mit Saft mit verdünntem LaVita-Konzentrat verflüssigen.