Todesursache
Heute ist es exakt eine Woche her, dass Steffen gestorben ist. Heute werde ich Steffens Todesursache erfahren. Aber vorher möchte ich mit Euch teilen, was bisher geschah, da ich mich erst heute wieder fähig fühle, etwas in diesen Blog zu schreiben.
Der Tag nach Steffens Tod
An dem Tag nach Steffens Tod bin ich völlig unter Schock scheinbar wie immer am morgen in die Metro zum Einkaufen gefahren. Mein Blick klebt ständig auf dem Handy an der Uhrzeit.
Gestern um dieselbe Zeit hat Steffen noch unter uns geweilt.
Ich vermeide das Gespräch mit der lieben Kassiererin. Jede Nachfrage würde meine Fassade zum Einstürzen bringen.
Ich fahre mit den Einkäufen in die Küche, räume alles in die Kühlschränke ein und beginne mein Tagwerk.
Keine Zukunft mehr mit Steffen
Und dann plötzlich bricht alles über mir zusammen. Die ganzen Emotionen. Diese Sinnlosigkeit des Ganzen. Was ist Steffens Todesursache, warum ist er so plötzlich gestorben? Was mache ich eigentlich gerade hier?
Das Catering war unsere Idee, unser Baby. Wir haben all unsere Lebensenergie der letzten 11,5 Jahr in das Catering gesteckt. Geschwitzt, gebangt und gelitten. Und in der letzten Phase, dem letzten halben Jahr, in der Zeit der Chemotherapie, habe ich das Catering allein aufrecht erhalten.
Wir waren uns sicher, Steffen würde nach seiner Genesung wieder hierher in die Küche zurückkehren. Dafür brauchte er einen Ort, wo er arbeiten kann, wo er gebraucht wird.
Doch das hat nicht sollen sein, Steffen ist tot. Der Sinn des Caterings ist weg. Das Catering war unser Ein und Alles. Doch nun gibt es kein UNS mehr.
Ich breche zusammen und heule wie ein Schlosshund und realisiere, dass ich in meinem aktuellen Zustand die Bestellungen von heute nicht allein ausliefern kann.
Hilfe
In meiner Not bitte ich in einer meiner WhatsApp-Gruppen mit Freunden um Hilfe. Sofort meldet sich T., er wäre in einer Stunde da und könne mir helfen.
Innerlich schließe ich an diesem Tag mit dem Catering ab. Die Betriebskosten, der Stress, die Buckelei, all das ist allein nicht mehr zu schaffen. Ich habe keine Lust mehr.
Mein Freund T. ist pünktlich da und hilft mir bei der Auslieferung. Die Kunden stehen auch noch unter Schock und versuchen dieses Entsetzen in Worte zu fassen. Wir drücken uns fest.
Während der Auslieferung lädt mich T. für den Abend zu seiner Familie ein, damit ich nicht allein zuhause bin. Eine liebe Freundin kommt auch noch dazu. So verbringen wir einen schönen Samstagabend. Am Lagerfeuer. Mit ganz viel Wein. Ganz im Sinne von Steffen. Und wir reden auch nur von Steffen.
Zweiter Tag ohne Steffen
Am Folgetag wieder zuhause angekommen, rekapituliere ich die letzten zwei Wochen mit Steffen. Den gesamten Krankheitsverlauf. So dass ich immer den genauen Ablauf weiß und was ich wann gedacht und was wir gemeinsam beschlossen haben. Was zur Hölle war die genaue Todesursache? Während ich das alles so im Bett aufschreibe, bekomme ich dafür die Bestätigung von ganz oben.
Nennt mich verrückt, aber für mich sieht diese Wolkenformation wie Steffens Kopf aus. In der Draufsicht. Von links oben. Ich denke mir so bei mir, er findet es gut, was ich gerade mache. Ich muss natürlich wieder weinen und bin total aufgelöst.
Kochen ist Liebe
Abends koche ich mir ein Essen und bekomme überhaupt nichts herunter. Ich habe keinen Appetit. Meine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich habe einen riesigen Kloß im Hals und mein Magen tut weh. Ich kann nichts essen und gerade auch überhaupt nicht für mich kochen.
Das Kochen zuhause habe ich stets mit dem Kochen für Steffen verbunden. Mit meiner Liebe zu Steffen. Es sollte ihm helfen, es sollte ihm Lebensenergie bringen. Er sollte wieder gesund werden und den Krebs besiegen. Und doch konnte ich ihm am Ende nicht helfen. Ich bin zutiefst enttäuscht von mir. Dieser ganze harte Kampf um Steffen erscheint mir jetzt so sinnlos. Wir haben ihn verloren. Was war die verdammte Todesursache?
Die Flucht
Ich gehe hilflos ins Bett und beschließe beim Einschlafen, am Folgetag nach Hause zu meinem Papa zu fahren. Ich halte es hier gerade nicht aus. Papa hat leider große Erfahrungen mit meinem Zustand. Meine Mama ist bereits vor 8 Jahren gestorben. Er kennt die Leere, die jetzt folgt.
Bei meinem Papa zuhause angekommen, fahren wir sofort zum Bestattungsinstitut, das ist mein Wunsch. Ich möchte Steffen gut aufgehoben wissen.Währenddessen läuft unsere gemeinsame Hochzeits-Playlist, welche ich immer weiter komplettiert habe, im Auto hoch und runter. Ein weiterer fulminanter Sonnenuntergang begleitet meinen Papa und mich auf unserer Heimfahrt vom Bestatter.
Zuhause bei Papa
In den folgenden Tagen geben sich Teile der Familie die Tür in die Hand. Steffens Mama kommt mit Steffens Papa. Steffens Bruder kommt mit der Schwägerin. Und mein Bruder kommt auch.
Alle Freunde erkunden sich nach mir, manche täglich. Rufen an.
Die Spendenaktion
Freunde starten eine unglaubliche Spendenaktion, die mich komplett sprachlos zurück lässt und mir den nötigen Anstoß gibt, nach vorne zu sehen.
Die Ungewissheit in der Selbstständigkeit, wie es weiter geht, ist unvorstellbar. Wie zahle ich die Betriebskosten der Küche, wie meine Miete und wie die Krankenversicherung. Gerade sind dies für mich unvorstellbare Fragen, die mich nur mein derzeitiger Schockzustand ausblenden lässt.
Die Todesursache
Und heute, am 1. März rufe ich dann die Onkologie der Charité an. Die Ergebnisse der Pathologie müssten ja nun da sein. Ich habe vor diesem Anruf große Angst gehabt. War gar meine Nahrungsumstellung ein Grund für Steffens Nierenversagen? Hätte ich an irgendeiner Stelle etwas anders machen können?
Ein Arzt gibt mir kurz telefonisch Auskunft, mehr Details erfahre ich dann wohl nächste Woche in einem persönlichen Termin.
Aber dies ist schon bekannt:
Steffens Todesursache ist akutes Leberversagen. Nach der Obduktion hat man festgestellt, dass 90 % der Leber aus Metastasten bestanden hat. Der Krebs ist mit Schmackes zurückgekommen. Steffen hat einfach keine Chance gehabt.
Selbst, wenn man sofort eine Chemotherapie gestartet hätte, hätten die entgiftenden Organe versagt. Nur Steffens Leiden wäre länger und furchtbarer gewesen.
Somit ist dieser elende Krebs wie ein Boomerang mit Raketenantrieb zurückgekehrt. Vor vier Wochen war Steffen noch seine Blutwerte in der Charité checken, da war noch nichts zu erkennen. Innerhalb von zwei Wochen, mit der zusehenden Verschlechterung von Steffens Zustand also, muss das passiert sein.
Und wir haben alle gedacht, es wäre eine Verstopfung!
Ich frage den Arzt noch, ob ich irgendetwas hätte tun können. Er verneint. Er meint, alle Pfleger und Ärzte waren ebenfalls perplex, da Steffen ja am Vorabend noch komplett ansprechbar war.
Was für ein tapferer und mutiger Hase.
Liebe Dana, auch wenn das alles jetzt schon eine zeitlang her ist – ich fühle mit Dir und es berührt mich sehr.
Mein Mann starb vor 7 Monaten und Deine Erzählungen erinnern mich so sehr an unsere Geschichte (Diagnose bis Tod 5 Monate).
Auch bei meinem Mann war die Chemo beendet (er hatte auch Carboplatin) und wir hofften auf ein wenig Normalität – verreisten nochmal schön … allerdings kehrte ich von dieser letzten Reise allein zurück und mein Mann musste aus dem RKU überführt werden, da er auf der Reise verstarb … auch bei ihm kam nach der Chemo der Krebs wie eine Rakete durch die Hintertür wieder rein … es sind also immer wieder „Geschichten“, die sich so unfassbar ähneln … auch für mich waren die 13. immer irgendwie „Glückstage“ …. Im Moment bin ich taub… gelähmt… ohne Perspektive oder ein Gefühl für Sinn … allerdings phasenweise auch voller Aktionismus … nur heute leider nicht … ich danke Dir für Deine Schilderungen – auch wenn alles so furchtbar scheint, macht es mir ein wenig Mut, dass ich es irgendwann wieder in den Griff bekomme – liebe Grüße Carola
Puh, liebe Carola. Danke fürs teilen. Das ist so furchtbar! Ich schick dir ganz viel Kraft! Wenn du magst, melde dich gerne auf den Newsletter an. Vielleicht kann ich dir stückweit Kraft für dein neues Leben geben. Wir hören uns! Alles erdenklich Liebe für dich! Deine Dana